Montag, 24. Juni 2013

Solidaritätsvideo macht die Runde

Deutsche Occupy-Aktivisten sorgen mit einem Youtube-Video für Aufsehen in Spanien. Dabei wird deutlich, dass nicht nur Grußbotschaften ausgetauscht werden.

Erst hatte im Februar die spanische Aktivistengruppe Asamblea tres Cantos eine Botschaft an die deutsche Bevölkerung gerichtet, und zwar in Form eines Youtube-Videos. Darin erklären die Spanier, sie seien die Opfer und nicht die Verursacher der derzeitigen Krise in Europa. Das Video hat inzwischen über 140.000 Aufrufe auf Youtube zu verzeichnen. Frankfurter Occupy-Aktivisten antworteten Anfang Mai. Darin erklären sie sich solidarisch mit der spanischen Bevölkerung und entschuldigen sich für die Beteiligung deutscher Politik in das europäische Austeritätsregime.

Während aber das spanische Ursprungsvideo in erster Linie die Bürger beziehungsweise „die spanische Mittelschicht“ in Gegensatz setzt zu „korrupten Institutionen“ und die Ursache der Krise in „Finanzspekulation“ erblickt, geht die Kritik aus Frankfurt tiefer. In ihrem Video thematisieren die Occupisten neben dem neoliberalen Spardiktat auch rassistische Hetze gegen die Verlierer der Krisensituation und geben sich klassenkämpferisch: „Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen, denn es ist kein Kampf zwischen verschiedenen Volksgruppen, sondern ein Kampf zwischen unten und oben.“

Auch das Frankfurter Video fand sein Publikum. Innerhalb gut einer Woche kam es auf über 90.000 Zugriffe und während in Deutschland die ZDF-Sendung „Aspekte“ sowie die Tageszeitungen taz und neues deutschland berichteten, erfreute sich der Clip in Spanien noch größerer Aufmerksamkeit. Mehrere Radio- und TV-Stationen berichteten, unter anderem auch „La Sexta“, das mit dem deutschen Pro7 vergleichbar ist.

Die Aktivisten aus beiden Ländern planen nun, ein drittes Video gemeinsam zu produzieren.

Erschienen in Graswurzelrevolution (GWR) 380

Polizei vs. Blockupy

Der antikapitalistische Protestzug am 1. Juni 2013 in Frankfurt wurde zu einem eindrucksvollen Aufzug deutscher Staatsmacht. Aber auch zu einer Demonstration linker Solidarität

Dieser Artikel sollte sich nach den Vorgängen am ersten Tag der Blockupy-Protesttage am letzten Maiwochenende vor allem kritisch mit den Inhalten der beteiligten linken Gruppen und ihrem Auftreten beschäftigen: Mit den unsäglichen Hammer-und-Sichel-Fahnen unbelehrbarer Alt- und RestkommunistInnen, mit peinlichen Auftritten von Attac-Schlagerparodisten, mit der unerträglichen Johlveranstaltung der Linkspartei im DGB-Haus, auf der Sahra Wagenknecht wahlkampfgerecht in Szene gesetzt und noch für den krudesten Neokeynesianismus frenetisch bejubelt wurde. Nach dem 1. Juni 2013 steht aber etwas anderes auf der Tagesordnung: Ein brutaler polizeilicher Angriff auf die Linke insgesamt.

Diese zeigte sich solidarisch - über alle Lagergrenzen hinweg. Beide Vorgänge überstrahlen die inhaltliche Kontroverse, auch weil sie ziemlich einmalig sind.
15.000

Rund 15.000 Blockupy-AktivistInnen haben sich gegen 12:30 Uhr in Bewegung gesetzt und werden, noch bevor alle den Startpunkt am Baseler Platz nahe des Frankfurter Hauptbahnhofs verlassen haben, schon wieder gestoppt.

An der Ecke Hofstraße/Neue Mainzer Straße stürmt gegen 13 Uhr eine Hundertschaft der Polizei ohne Vorwarnung in die Straßenmündung zur Neuen Mainzer Straße und blockiert die DemonstrantInnen.

Die Demo hat bis dahin rund 900 Meter zurückgelegt. Unter Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz drängt sich eine weitere Hundertschaft hinter den antikapitalistischen Blöcken in die Menge, um die Demo zu spalten. Von nun an gibt es für die Eingeschlossenen neun Stunden lang keine Möglichkeit, den Polizeikessel ohne Personenkontrolle zu verlassen. Bis zum Beginn der gewaltsamen Räumung kann das Areal überhaupt nicht verlassen werden.

Die erste polizeiliche Aufforderung lautet, die Demo könne wie geplant weitergehen, wenn alle die Vermummung abnehmen würden.

Im Gegensatz zur späteren offiziellen Darstellung der Polizei kommt die überwiegende Mehrheit der im so genannten "Schwarzen Block" versammelten AktivistInnen dieser Aufforderung sogar nach. Bei der Demaskierung kommen überwiegend jugendliche Gesichter zum Vorschein.

Auch beim allerbösesten Willen kann keine Rede davon sein, dass diese Leute eine Armee von bewaffneten PolizistInnen bedrohen könnten. Auf jedem Rockkonzert geht es aggressiver zu als in diesem Kessel. Schnell wird die angebliche "Defensivbewaffnung" (Styroporplatten) in Sitzgelegenheiten umgewandelt; als behelfsmäßige Damentoilette wird ein Transparent gespannt, man unterhält sich. Die anwesenden Abgeordneten der Linkspartei versuchen in Verhandlungen mit dem Einsatzleiter eine Lösung zu finden, um die Demo ohne Personenkontrollen weitergehen lassen zu können.

Stattdessen werden Katja Kipping, Willy van Ooyen und Janine Wissler mit erhobenen Händen abgeführt, als sie sich schützend vor den antikapitalistischen Block stellen. Gegen 16:40 Uhr, also gut dreieinhalb Stunden nach der Festsetzung werden den Gefangenen zwei Dixi-Toiletten zur Verfügung gestellt. Kurz darauf beginnt die Polizei mit der Räumung.
Gewaltfreier Widerstand

Selbst die erzkonservative Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) stellte bezüglich der Einkesselung der AntikapitalistInnen fest: "Tatsächlich befinden sich Anhänger radikaler Gruppen innerhalb des Blocks. Von Gewalttätigkeiten aber war ihr bisheriges Verhalten bei der Demonstration bis zu diesem Zeitpunkt weit entfernt."

Und dabei blieb es dann auch, abgesehen von Kettenbildungen und dem Widerstand gegen den Abtransport.
Polizeigewalt

Was die Einsatzleitung geritten hat, mit einem Dutzend Wasserwerfern, zwei Hubschraubern, militärischen Räumfahrzeugen, hunderten Metern Stacheldraht und einer Polizeiarmee anzurücken, über die auch viele unbeteiligte PassantInnen nur noch staunen konnten, bleibt rätselhaft.

Die Sturheit des Verhandlungsführers der Polizei, der unbedingt von allen rund tausend Eingekesselten die Ausweise sehen wollte, sorgte auch bei den im Kessel anwesenden JournalistInnen für Kopfschütteln.

Eine Reporterin des ZDF heute journal suchte nach AktivistInnen für einen O-Ton und stellte fassungslos fest: "Die haben ja alle totale Angst!"

Das alles ging auch vielen eingesetzten PolizistInnen zu weit. Mehrere Beamte äußerten schon während des Einsatzes gegenüber DemonstrantInnen ihr Missfallen. Einer, der seine Kollegen bei Gewalttätigkeiten im Zuge der Räumung beobachtete, distanzierte sich offen davon und bat um Differenzierung: "Sie dürfen nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren."

Ein Kollege aus NRW, der selbst im Kessel eingesetzt war, begrüßte die Solidaritätsaktionen der MitarbeiterInnen des angrenzenden Frankfurter Theaters "Schauspiel", die mit Wasserflaschen gefüllte Eimer an langen Schnüren herunterließen und flugs ein großes Transparent mit der Aufschrift "Solidarität" an der Gebäudefassade befestigten. "Das finde ich gut", gab er zu Protokoll und warb wortreich für Verständnis dafür, dass er das alles ja nicht zu verantworten habe.

Darüber hinaus wandten sich PolizistInnen sogar an die Öffentlichkeit. "Einige Beamte bezeichneten es als taktisch falsch, den gesamten Demonstrationszug angehalten zu haben und einen Teil ohne vorherige Ansage eingekesselt zu haben. Auch die Brutalität, mit der einige der Einsatzkräfte vorgegangen seien, können sie nicht nachvollziehen, weil es ihrer Ansicht nach keinen Grund dafür gegeben habe", gab die FAZ die Stimmen von Polizeibeamten wieder, die sich offenbar an sie gewandt hatten. In der FR beschwerten sich mehrere Beamte im Nachhinein ebenfalls über die Brutalität ihrer Kollegen, die zu einem großen Teil aus anderen Bundesländern hinzugezogen worden waren: "Die kamen, haben zugeschlagen und sind wieder heimgefahren." Darüber hinaus herrsche in der Frankfurter Spezialeinheit BFE, die dafür ausgebildet sei, gezielt Störer aus einer Menschenmenge zu ziehen, Frust über die Unprofessionalität des Einsatzes. "Die Kollegen aus den anderen Bundesländern hätten mit zwei Ketten einen viel zu großen Kessel gebildet. Es sei vollkommen klar gewesen, dass die allermeisten der eingekesselten Demonstranten keine Gewalttäter waren. Bei der Polizei rechnet man deshalb mit zahlreichen Strafanzeigen wegen Freiheitsberaubung", fasste die FR die Aussagen der BFE-Beamten, die sich gegenüber der Zeitung geäußert hatten, zusammen.

Der Hessische Rundfunk (HR) erklärte, der so genannte Schwarze Block sei in diesem Jahr "eher ziemlich bunt" gewesen, in der Frankfurter Rundschau war von einem Desaster die Rede, "das ein juristisches Nachspiel haben muss". Die Polizei habe "mit ihrer Entscheidung, den Demonstrationszug am Schauspiel zu stoppen, kurzerhand ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs unterlaufen".

Dieser hatte zuvor die Demoroute ausdrücklich genehmigt, u.a. mit dem Hinweis, die polizeiliche Gefahreneinschätzung sei haltlos.
Desaströs

Bei der polizeilichen Pressekonferenz stellten Hessens Innenminister Rhein und der Frankfurter Polizeipräsident Thiel die Geschehnisse aus ihrer Sicht dar.

Aber auch die Pressekonferenz wurde zum Desaster. Da viele der anwesenden JournalistInnen selbst Opfer der Gewalt geworden waren, machten sie ihrem Unmut Luft. "Gewaltorgie", "Schande für Frankfurt" rufen die aufgebrachten MedienvertreterInnen, ein RTL-Reporter sagt, ihm sei ein Bein gestellt worden und ein Polizist habe ihm geraten: "Verpiss dich!", ein anderer Journalist stellt fest: "So ist es noch nie zugegangen!" und ein weiterer Kollege ergänzt: "Und zwar nirgendwo!" Frank van Bebber von hr-online twittert: "So eine Polizei-PK habe ich noch nie erlebt."
Hintergründe

Wo sich Medien verschiedenster Ausrichtung derart einig sind und sogar ein Teil der PolizeibeamtInnen zustimmt, stellt sich die Frage nach den Hintergründen.

Die Verantwortung in erster Linie bei dem 56jährigen Einsatzleiter Harald Schneider, einem passionierten Amateurfußballtrainer aus dem Odenwald, zu suchen, dürfte keine heiße Spur sein. Der dreifache Familienvater ist in der Vergangenheit nie als brutaler Scharfmacher aufgefallen. Dass Schneider aus eigenem Antrieb eine weitgehend friedliche Demo zusammenprügeln lässt, ist nicht plausibel. Gleichzeitig tauchten in den Tagen danach immer neue Bilder und ZeugInnenaussagen auf, die nahe legen, dass der Zugriff an dieser Stelle schon lange vorher geplant war. Wer aber hat welches Interesse daran, einen Demonstrationszug dieser Größe unter massiver Gewaltanwendung zu stoppen, einen Teil davon einzukesseln, stundenlang festzuhalten, um die Leute dann einzeln aus dem Kessel zu führen? Und das alles, obwohl jedem klar gewesen sein musste, dass es für dieses Vorgehen keine Rechtfertigung gab, es illegal und unprofessionell war und viele JournalistInnen alles hautnah mitbekommen haben? Das wird in den kommenden Wochen zu klären sein.

Neun Stunden nach Beginn der Demo warten neben dem Kessel noch immer tausende Gewerkschafter, GenossInnen von Linkspartei und DKP, AktivistInnen von Attac, der "Interventionistischen Linken", Occupy und anderen beteiligten Gruppen, sowie viele unabhängige TeilnehmerInnen singend und tanzend auf die eingeschlossenen MitstreiterInnen, von denen viele der Antifa oder anarcho-kommunistischen Gruppen angehören, die im "ums Ganze!"-Bündnis organisiert sind. Alle warten mit der Abschlusskundgebung bis auch der Letzte den Kessel verlassen hat, viele der Freigelassenen kehren trotz der massenweise ausgesprochenen Platzverweise zur Demo zurück. Es ist längst dunkel geworden in Frankfurt und gemeinsam geht man unter "Anticapitalista"-Schlachtrufen zum Hauptbahnhof.

Mit diesem Ausmaß an Solidarität innerhalb einer offenbar als zerstritten eingeschätzten Linken hatte auf Seiten der Staatsmacht wohl niemand gerechnet.

Genauso wenig wie die Besitzer des Nobelrestaurants "Nizza" damit gerechnet hatten, dass ihre Toilettenräume, die ausgiebig von der Polizei genutzt worden waren, mit Pfefferspray kontaminiert werden würden.

Aufgebracht klagte eine Besucherin: "Die können nicht mal mit ihren eigenen Waffen richtig umgehen!"

Erschienen in Graswurzelrevolution (GWR) 380

Bei Dir, »Spiegel online«,

fanden wir einen kleinen Fehler. »Nie ein Rat von Papa, keine Hilfe von Mama: Waisen und Pflegekinder haben es im Studium schwer«, schriebst Du in einem Artikel über ein Waisennetzwerk an der Universität Hildesheim. In dem Satz müßtest Du nur »schwer« durch »leicht« ersetzen – schon könnten zustimmen:

die Muttersöhnchen von
Titanic

Erschienen in Titanic-Magazin 06/13

Hallo »Taz«!

Da hast Du also dem amerikanischen Superpsychologen Allen Frances einen »Sonntaz«-Titel unter der Schlagzeile »Wo fängt irre an?« gewidmet. Wie Du berichtest, ist Frances nämlich dagegen, Masochismus in den neuen US-Katalog der psychiatrischen Störungen aufzunehmen, weil eine solche Aufnahme denen schaden würde, »die damit fälschlich als krank abgestempelt werden«. Und weißt Du was, Taz? Wenn wir Du wären und die Leser hätten, die Dich täglich erleiden müssen, würden wir denen das auch als wichtige Erkenntnis auftischen.

Bleibt Dir gegenüber lieber sadistisch:
Titanic

Erschienen in Titanic-Magazin 06/13
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