Bei wem der leichte Aufschwung nicht ankommt
Neue Zahlen zur Lohnverteilung in den USA zeigen: Die Ungleichheit wächst weiter, auch Arbeitslosigkeit und Armut steigen
Während die Börsen immer neue Rekorde feiern, wächst in den USA vor allem eines: die Ungleichheit der Einkommen.
Über 37 Millionen US-Arbeitnehmer verdienen weniger als 10 000 US-Dollar im Jahr, das sind 24 Prozent aller abhängig Beschäftigten. Dies geht aus aktuellen Daten der US-Sozialversicherungsbehörde Social Security Administration (SSA) zur Lohnstatistik für das Jahr 2012 hervor. Fast 50 Millionen Arbeitnehmer und damit knapp ein Drittel aller Beschäftigten mussten mit weniger als 15 000 Dollar Jahresverdienst auskommen, also umgerechnet nicht einmal 1000 Euro Monatslohn. Während sich diese Werte im Vergleich zu 2011 kaum verändert haben, die Masse der »Working Poor« also auf hohem Niveau stagniert, tat sich im Jahresvergleich auf der anderen Seite der Lohnpyramide Erstaunliches: Die Zahl der Beschäftigten mit einem Jahreseinkommen von über zehn Millionen Dollar ist binnen Jahresfrist von 2049 auf 2915 geklettert, ein Zuwachs von immerhin gut 42 Prozent bei den Superverdienern.
Die Statistik macht deutlich, wer am meisten von den - zuletzt eher niedrigen - Wachstumsraten profitiert. Laut SSA generierten die 120 000 Einkommensmillionäre im Jahr 2012 zusammen eine Lohnsumme von knapp 300 Milliarden Dollar, so viel wie die 50 Millionen Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala. Das obere Prozent der Lohnempfänger verdiente so viel wie die unteren 53 Prozent. Drei Jahre zuvor entsprach die Lohnsumme des oberen Prozentes »nur« der der untersten 40 Prozent.
Allen politischen Sonntagsreden zum Trotz spitzt sich die Ungleichverteilung der Einkommen in den USA weiter zu, ebenso wie die existenzbedrohende Armut. In den letzten zehn Jahren erhöhte sich die Anzahl der Bürger, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind, von 20 Millionen auf 47 Millionen.
Dass in den letzten Monaten ein Trend zur Reindustrialisierung zu beobachten ist, wird angesichts solcher Zahlen verständlich: Die Löhne der Billigarbeiter in China und den USA haben sich so weit angenähert, dass es sich für die Firmen kaum mehr lohnt, »Design und Entwicklung von der Herstellung zu trennen«, wie Jeffrey Immelt, Chef des US-Mischkonzerns General Electric, kürzlich erklärte. »Outsourcing nur aufgrund der Lohnkosten ist ein Auslaufmodell.«
Der Trend zu immer ungleicherer Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums bleibt in den USA bestehen und der Druck auf die Niedriglohnarbeiter nimmt zu. Was in Deutschland als stille Reserve bekannt ist, also arbeitsfähige Erwachsene, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, nimmt in den USA stark zu. Die Behörde für Arbeitsmarktstatistik zählt mittlerweile sind über 90 Millionen Arbeitsfähige, die unter die Rubrik »Not in Labor Force« fallen. Das sind über 20 Millionen mehr als Anfang des Jahrhunderts.
Die Meldungen von einer verbesserten Situation am Arbeitsmarkt erweisen sich darüber hinaus regelmäßig als Statistikschummelei. Die nicht mehr erfassten Jobsuchenden werden in die Rubrik »Not in Labor Force« verschoben, allein im Oktober 2013 verschwanden so über 900 000 Arbeitslose aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik. Dennoch stieg die offizielle Quote auf 7,3 Prozent.
Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank, versprach im Juli, die Staatsanleihekäufe und die Niedrigzinspolitik beizubehalten, bis die gemessene Arbeitslosigkeit unter eine Quote von 6,5 Prozent gefallen ist. Darauf wird er wohl trotz Statistiktricks noch lange warten müssen. Die Distanz zwischen Arm und Reich dürfte in der größten Volkswirtschaft der Welt weiter steigen.
Erschienen in Neues Deutschland vom 19.11.2013
Während die Börsen immer neue Rekorde feiern, wächst in den USA vor allem eines: die Ungleichheit der Einkommen.
Über 37 Millionen US-Arbeitnehmer verdienen weniger als 10 000 US-Dollar im Jahr, das sind 24 Prozent aller abhängig Beschäftigten. Dies geht aus aktuellen Daten der US-Sozialversicherungsbehörde Social Security Administration (SSA) zur Lohnstatistik für das Jahr 2012 hervor. Fast 50 Millionen Arbeitnehmer und damit knapp ein Drittel aller Beschäftigten mussten mit weniger als 15 000 Dollar Jahresverdienst auskommen, also umgerechnet nicht einmal 1000 Euro Monatslohn. Während sich diese Werte im Vergleich zu 2011 kaum verändert haben, die Masse der »Working Poor« also auf hohem Niveau stagniert, tat sich im Jahresvergleich auf der anderen Seite der Lohnpyramide Erstaunliches: Die Zahl der Beschäftigten mit einem Jahreseinkommen von über zehn Millionen Dollar ist binnen Jahresfrist von 2049 auf 2915 geklettert, ein Zuwachs von immerhin gut 42 Prozent bei den Superverdienern.
Die Statistik macht deutlich, wer am meisten von den - zuletzt eher niedrigen - Wachstumsraten profitiert. Laut SSA generierten die 120 000 Einkommensmillionäre im Jahr 2012 zusammen eine Lohnsumme von knapp 300 Milliarden Dollar, so viel wie die 50 Millionen Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala. Das obere Prozent der Lohnempfänger verdiente so viel wie die unteren 53 Prozent. Drei Jahre zuvor entsprach die Lohnsumme des oberen Prozentes »nur« der der untersten 40 Prozent.
Allen politischen Sonntagsreden zum Trotz spitzt sich die Ungleichverteilung der Einkommen in den USA weiter zu, ebenso wie die existenzbedrohende Armut. In den letzten zehn Jahren erhöhte sich die Anzahl der Bürger, die auf Lebensmittelmarken angewiesen sind, von 20 Millionen auf 47 Millionen.
Dass in den letzten Monaten ein Trend zur Reindustrialisierung zu beobachten ist, wird angesichts solcher Zahlen verständlich: Die Löhne der Billigarbeiter in China und den USA haben sich so weit angenähert, dass es sich für die Firmen kaum mehr lohnt, »Design und Entwicklung von der Herstellung zu trennen«, wie Jeffrey Immelt, Chef des US-Mischkonzerns General Electric, kürzlich erklärte. »Outsourcing nur aufgrund der Lohnkosten ist ein Auslaufmodell.«
Der Trend zu immer ungleicherer Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums bleibt in den USA bestehen und der Druck auf die Niedriglohnarbeiter nimmt zu. Was in Deutschland als stille Reserve bekannt ist, also arbeitsfähige Erwachsene, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, nimmt in den USA stark zu. Die Behörde für Arbeitsmarktstatistik zählt mittlerweile sind über 90 Millionen Arbeitsfähige, die unter die Rubrik »Not in Labor Force« fallen. Das sind über 20 Millionen mehr als Anfang des Jahrhunderts.
Die Meldungen von einer verbesserten Situation am Arbeitsmarkt erweisen sich darüber hinaus regelmäßig als Statistikschummelei. Die nicht mehr erfassten Jobsuchenden werden in die Rubrik »Not in Labor Force« verschoben, allein im Oktober 2013 verschwanden so über 900 000 Arbeitslose aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik. Dennoch stieg die offizielle Quote auf 7,3 Prozent.
Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank, versprach im Juli, die Staatsanleihekäufe und die Niedrigzinspolitik beizubehalten, bis die gemessene Arbeitslosigkeit unter eine Quote von 6,5 Prozent gefallen ist. Darauf wird er wohl trotz Statistiktricks noch lange warten müssen. Die Distanz zwischen Arm und Reich dürfte in der größten Volkswirtschaft der Welt weiter steigen.
Erschienen in Neues Deutschland vom 19.11.2013
Nicolai Hagedorn - 20. Nov, 12:25