Sonntag, 6. April 2014

Allergrößten Respekt, "Tagesspiegel",

Einen Tag nachdem ein Flugzeug ohne jede Spur verschwunden ist in der Headline zu fragen: »Kann ein Flugzeug ohne jede Spur verschwinden?« – das ist schon fein.

Nach Diktat spurlos verschollen:

Titanic

Erschienen in Titanic-Magazin 04/2014

Liebe Amerikaner,

laut einem Bericht der WAZ glauben 60 Prozent von Euch, »daß Deutschland eine moderne und in die Zukunft orientierte Gesellschaft sei«. Nun ja, wenn man in die Google-Suchzeile »Amerikaner glauben« eingibt, werden als Topergänzungstreffer u.a. »an Geister«, »daß Hitler noch lebt« oder »nicht an Klimawandel« angeboten.

Null Fehler im Bild.

Glückwunsch von

Titanic

Erschienen in Titanic-Magazin 03/2014

Warnsignale aus Fernost

Chinas Wirtschaft gerät ins Straucheln
Die Volkswirtschaft des Reichs der Mitte wird im ersten Quartal 2014 ihr Wachstumsziel von 7,5 Prozent vermutlich nicht erreichen. Die Zeichen mehren sich, dass eine erste Krise bald bevorsteht


Anfang März gab es in China eine Premiere: Erstmals wurde eine Anleihe nicht bedient. Wo in der Vergangenheit bei Zahlungsschwierigkeiten von Privatunternehmen der Staat einsprang, setzten die chinesischen Behörden im Fall des Solarzellenherstellers Chaori Solar eine neue Anweisung der Zentralregierung um, wonach Zahlungsausfälle nur noch dann übernommen werden sollen, wenn die betroffenen Unternehmen »systemrelevant« sind.

Zwar handelt es sich bei der jetzt ausgefallenen Anleihenrückzahlung durch Chaori Solar mit rund 9 Millionen Euro um ein vergleichsweise geringes Volumen. Aber der Solarzellenkonzern ist nicht das einzige Unternehmen, das Chinas Finanzmärkte beunruhigt. Acht von zehn chinesischen Unternehmen mussten 2013 Zahlungsverzögerungen hinnehmen, stellte der Kreditversicherer Coface in einer am Dienstag veröffentlichten Studie fest. Damit ist die Zahlungsmoral in China auf dem niedrigsten Stand seit 2010.

Auch die Probleme im Immobiliensektor der Volksrepublik lassen sich nicht mehr leugnen. Die über Jahre immer stärker gestiegenen Preise dort ließen das Risikobewusstsein insbesondere bei Chinas Schattenbanken sinken, so dass heute viele Unternehmen exorbitante Verschuldungsraten aufweisen. Seit Ende 2013 ist aber zu beobachten, dass die Immobilienpreise erstmals seit Jahren langsamer steigen, was als Warnzeichen für einen sich abkühlenden Immobilienmarkt durchaus ernst zu nehmen ist.

Anfang vergangener Woche berichtete die Nachrichtenagentur Reuters von Zahlungsschwierigkeiten eines großen Immobilienunternehmens mit Sitz in der Küstenstadt Ningbo, das bei Banken und Privatpersonen Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 407 Millionen Euro angehäuft hat. Da sich die Firmenleitung auch im verbotenen chinesischen Schattenbankensektor bedient hatte, wurden der Firmenchef und sein Sohn verhaftet.

Die aktuellen Schwierigkeiten in China sind dabei nur Symptome eines tiefer liegenden Problems. Im Grunde ist das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft spätestens seit der weltweiten Finanzkrise nicht nachhaltig und zu einem großen Teil kreditgetrieben. Als Reaktion auf den Einbruch der Wirtschaftsleistung weitete die Zentralregierung 2009 die Kreditvergabe aus. Das hatte Folgen. So stieg der Anteil der Gesamtverschuldung am jährlichen Bruttoinlandsprodukt in China von 155 Prozent im Jahr 2008 auf über 240 Prozent Ende 2013, die Bilanzsummen der chinesischen Banken stiegen insgesamt um gigantische 15 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Der US-amerikanische Bankensektor erweiterte seine Bilanzen im gleichen Zeitraum »nur« um zwei Billionen Dollar. Hinzu kommt, dass die Geldmengen, die über das Schattenbankensystem in die Wirtschaft fließen, ebenfalls weiter wachsen. Der Anteil dieses sogenannten grauen Marktes an der Finanzierung von Chinas Wirtschaft wird auf bis zu 25 Prozent geschätzt.

Das Kreditvolumen in China wächst deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung, was ein zuverlässiges Alarmsignal ist, denn dauerhaft führt dies zu wachsenden Zahlungsschwierigkeiten innerhalb einer Volkswirtschaft. Es war der Ökonom Hyman Minsky, der zeigte, wie eine solche Entwicklung zu einer schweren Krise führt. Nach ihm ist auch der »Minsky-Moment« benannt: der Zeitpunkt, an dem die Kreditgeber vorsichtig werden, die Kreditvergabe eingeschränkt und damit eine Krisendynamik ausgelöst wird, die kaum noch zu stoppen ist. Seit den Zahlungsausfällen der letzten Wochen wird in den einschlägigen Foren der Finanzindustrie eifrig darüber spekuliert, ob der chinesische »Minsky-Moment« bereits gekommen sei.

In den fernöstlichen Chefetagen ist man auf jeden Fall seit längerem schon eher pessimistisch. Der Einkaufsmanagerindex der britischen Großbank HSBC sackte im März auf 48,1 Zähler ab und sank damit zum fünften Mal in Folge. Unterhalb eines Werts von 50 gehen Chinas Manager von einer schrumpfenden Industrie aus.

Erschienen in Neues Deutschland vom 26.3.2014

Bosnischer Aufruhr

Mitten in Europa steht nicht nur Bosnien-Herzegowina vor einem gesellschaftlichen und ökonomischen Scherbenhaufen. Die bosniche Bevölkerung will sich das nicht länger gefallen lassen.

Nach der Schließung mehrerer Industriebretriebe in der ehemaligen bosnischen Wirtschaftsmetropole Tuzla hatte die Bevölkerung genug. Bereits seit Wochen hatte es jeden Mittwoch Demonstrationen gegeben, als in der ersten Februarwoche die Proteste, unterstützt von Studenten der Universität Tuzla, eine neue Qualität gewannen. Am folgenden Donnerstag schlugen die Demonstrationen endgültig in Gewalt um, rund 5000 Demonstranten lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei und versuchten, die Gebäude der Regionalverwaltung einzunehmen.
Die Aufstände griffen schnell auf weitere Städte Bosniens über, auch in Zenica, Mostar und in der Hauptstadt Sarajevo kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nachdem sich teilweise auch Polizisten mit den Protestierenden solidarisiert hatten, traten unter anderem die Kantonalregierungschefs von Tuzla und Zenica zurück, schließlich verabschiedete sich der Chef der Regionalregierung von Sarajevo, Suad Zeljkovic, mit den Worten: „Ab morgen können all jene, die so gerne plündern, eine glücklichere Zukunft Sarajevos aufbauen“.
Bosnien war nach dem Jugoslwawienkrieg im Zuge des Daytoner Abkommens in zwei Entitäten geteilt, die gemeinsam den Staat Bosnien-Herzegowina bilden. Die beiden Teilrepubliken Srpska (Serbische Republik) und die Föderation von Bosnien-Herzegowina werden von mehreren Regionalregierungen verwaltet.
Westliche Berichterstatter waren sich nach den Krawallen einig darin, dass sich die Proteste in erster Linie gegen die grassierende Korruption, die Selbstbedienungsmentalität der politischen Eliten und einige gescheiterte Privatisierungen richteten. Die FAZ zitierte gar eine Studie des marktradikalen „Populari Instituts“, das von so genannten NGOs wie der „Charles Stewart Mott Foundation“ (benannt nach dem ultraliberalen US-amerikanischen Republikaner Mott) unterstützt wird, oder der Mozaik Foundation, die wiederum von der Weltbank, Microsoft und der „Uni Credit Foundation“ gesponsert wird. Für die FAZ ist dieser Kapitalisten-Think Tank das „beste soziologische Forschungsinstitut Bosniens“ und dieses kommt wenig überraschend zu der grandiosen Erkenntnis, „die Einstellung der jungen Leute“ in Bosnien sei das eigentliche Problem. „Eltern bestärkten ihre Kinder in dem Irrglauben, sie seien „zu wertvoll“, um Arbeiten anzunehmen, die nicht prestigeträchtig sind oder nicht in ihr Bildungsprofil passen“, beschweren sich die Forscher, die offenbar den Verstand verloren haben angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von rund 50 Prozent und Durchschnittslöhnen von monatlich 400 Euro in Bosnien.
Wahrscheinlicher ist, dass die Bevölkerungen der zunehmend verelendeten Staaten des ehemals sozialistischen Ostblocks allmählich bemerken, wie wenig die spätkapitalistische Krisensystematik ihre prekäre Lage zu bessern im Stande ist. Selbstverständlich können weder die Ukraine, noch die Staaten des ehemaligen Jugoslawien, noch Russland, noch der Ostteil der Bundesrepublik die Kosten aufbringen, die erforderlich wären, um die eigenen Volkswirtschaften wettbewerbsfähig zu machen. Trotz immer niedrigerer Lohnniveaus bleiben in vielen Staaten der kapitalistischen Peripherie schlicht die Kapitaströme aus, die nötig wären, um eine nachholende Modernisierung ins Werk zu setzen.
Dass es eine solche überhaupt noch geben kann, ist angesichts weltweit gigantischer Überkapazitäten längst ein ökonomisches Märchen. Sofern man den Berichten von den bosnischen Protesten Glauben schenken darf, haben die Einwohner Bosnien-Herzegowinas im Zuge des Aufstandes den von den politischen Eliten dauernd geschürten nationalistischen Ressentiments eine Absage erteilt. Blieben sie dabei, wäre eine antikapitalistische Krisenanalyse ohne liberal-nationale Sündenbocklogik a la Ukraine möglich.
Eine Exilbosnierin notierte auf ihrer Facebook-Seite: „Ich bin so stolz auf mein Volk.“

Erschienen in Graswurzelrevolution (GWR) 387 (März 2014)
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