Blutbäder, Brandstifter und das unvermeidliche Delstop
Aktuelles zur Dauerkrise des Kapitals
“Wenn Investoren in einen dünnen Markt verkaufen und niemand kaufen will, bekommen wir eben die Art von Blutbad wie am Freitag gesehen”, kommentierte laut ftd online der Chefsvolkswirt der Unicredit den erneuten Zinsanstieg für 10jährige spanische Staatsanleihen vom Freitag vergangener Woche und stellte fest: „Die Märkte sind disfunktional“
Wo Blutbäder sind, da wird geblutet:
In Indien, wo es das Kapital in die nächste Runde schaffen will, und wo die Mitarbeiter des Automobilherstellers Maruti Suzuki etwa 100 Euro im Monat verdienen, durften zwei Tage zuvor die Manager einmal mitbluten; die Chefetage wurde gestürmt, die Chefs verprügelt, der Personalchef starb bei einem von den Mitarbeitern gelegten Brand in dessen Büro.
Es wird ungemütlich, denn „ die Krisen vermehren sich derzeit wie die Karnickel. Nur von der Krise des Kapitals oder, wie die ganz Schlauen sagen, des Kapitalverthältnisses will niemand reden“, beschwert sich die jungle-world und übersieht, dass es zwischen Kapital und Kapitalverhältnis immer noch einen Unterschied gibt. Die ganz Schlauen wissen nämlich, dass die weltweite Krise zwar eine des Kapitals ist, das Kapitalverhältnis aber auch dann die nächste Runde erreichen kann und wohl auch wird, wenn der Kapitalismus an „seine innere Schranke stoßen“ sollte, wie es der dieser Tage verstorbene Robert Kurz formulierte.
Diese innere Schranke scheint nah, wenn in einer der letzten weltweiten Boomregionen, in China, der durchschnittliche Jahresverdienst der Lohnabhängigen bei 7800 Euro liegt und in Indien Leute für 1200 Euro im Jahr Autos zusammenbauen und das wohl letzte große kapitalistische „Wachstumswunder“ nur noch dadurch erkauft werden kann, dass Menschen jenseits der Überlebensfähigkeit zur Arbeit gezwungen werden müssen.
Und wenn´s dann ganz schlimm wird, gehen die Geschundenen schon mal auf die Chefs los.
Allerdings wusste schon George Orwell, dass von den Proletariern nichts zu befürchten (ist).
Sich selbst überlassen, werden sie von Generation zu Generation und von Jahrhundert zu Jahrhundert weiterhin arbeiten, Kinder zeugen und sterben, und das nicht nur ohne jeden Drang zur Rebellion, sondern ohne sich auch nur vorstellen zu können, daß die Welt ganz anders sein könnte, als sie ist.
Was bei Orwell noch Proletarier hieß, nennen wir heute Lohnabhängiger – wer abhängig von wem ist, kann immer nur im Gegensatz von Kapital und Arbeit deutlich werden, was denn sonst? – und wo der Autor von 1984 zwar einen pervertierten „Sozialismus“ imaginiert, hat er doch hellsichtig beschrieben, wie diejenigen, die für den unermesslichen Reichtum, den der hyperproduktive Kapitalismus heute generiert, täglich stundenlang arbeiten müssen ohne jemals selber reich werden zu können, von der Debatte um ihr eigenes Leben abgetrennt werden.
Der aus seinem kargen, unbefriedigenden Leben resultierende Mißmut wird gezielt nach außen gelenkt und die Überlegungen, die eventuell zu einer skeptischen oder rebellischen Haltung führen könnten, werden durch früh erworbene innere Disziplin von vornherein unterbunden.
Und weil es eben ein karges, unbefriedigendes Leben ist, das selbst der noch materiell gut gestellte Versicherungsangestellte, Bankbeamte, Bauarbeiter, Gymnasiallehrer, Zeitungsjournalist (zumindest Stand 24.7.2012) führt, wird dessen Missmut „nach außen“ gelenkt und er fühlt sich auf Fußballplätzen und –stadien, in Diskos, Kinos, vor dem Fernseher, bei Rockkonzerten und Urlaubsreisen gut unterhalten. Alle 4 Jahre darf er eine Einheitspartei wählen, die der Form halber, zumindest in Deutschland, sich in 4 bis 5 unterschiedliche Parteinamen splittert. So fühlt er sich gefragt und glaubt, etwas mitentscheiden zu dürfen: SPD oder CDU, Mallorca oder Malediven.
Alle glauben ja wirklich, die tägliche Plackerei in tausenden langweiligen Jobs sei notwendig, weil ja irgendjemand „den Wohlstand“ produzieren müsse.
Auf den Umstand verwiesen, dass heute auch minimale Arbeitszeiten ausreichen würden, um „den Wohlstand“ zu sichern, dass es eben wirklich nur noch eine Frage der Organisation wäre, oder auf die Frage, was genau ein Versicherungskonzern eigentlich „zum Wohlstand“ beiträgt, reagiert der Lohnabhängige verschnupft und/oder desinteressiert. Bei Orwell heißt das „Delstop“ und beschreibt zutreffend die geistige Verfasstheit des heutigen Massenmenschen.
Delstop bezeichnet die Fähigkeit, geradezu instinktiv auf der Schwelle jedes riskanten Gedankens haltzumachen. Es schließt die Gabe mit ein, Analogien nicht zu begreifen, logische Fehler zu übersehen, die simpelsten Argumente mißzuverstehen, (…), und von jedem Gedankengang, der in ketzerische Richtung führen könnte, gelangweilt und abgestoßen zu sein.
Der Trick dabei ist, dass die meisten Menschen ja nicht an sich zu dumm sind, um die Vorgänge um sie herum begreifen zu können, der Gesamtzusammenhang der menschlichen Gesellschaft erscheint ihnen vielmehr als „viel zu kompliziert“, ohne dass sie benennen könnten, was genau daran denn kompliziert wäre. Das Denken wird nicht durch Dummheit oder Verblödung, sondern durch unbemerkt antrainierte Disziplin unterbunden, die Lüge ist schlicht zur Wahrheit geworden.
Wenn es jetzt, wie in Spanien, Griechenland, Indien oder unter etwas anderen Vorzeichen auch in Syrien zu gewaltsamen Aufständen kommt, dann ist das nicht Folge eines tieferen Verständnisses – die Lüge von der Alternativlosigkeit kapitalistischer Vergesellschaftung und Produktionsweise wird auch in den meisten Protestbewegungen affirmiert – sondern der Schrei nach Einlösung des uneinlösbaren und von vornherein gelogenen Versprechens. Die Protestler wollen keine andere Welt, sondern Arbeitsplätze. Der begriffliche Selbstbetrug führt mittlerweile dazu, dass unter Kapitalismus nicht mehr die Ausbeutung durch ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse gesehen wird, sondern in einer mythischen Herrschaft von Finanzmärkten oder dem Wachstumszwang, der angeblich von Zins- und Zinseszinseffekten hervorgerufen wird und in fataler Weise firmiert solcherart Mystifizierung des Offensichtlichen neuerdings auch in den Protestbewegungen unter dem Label „Kapitalismuskritik“. Da wundert es dann nicht mehr, dass laut den Apologeten dieser Art von „Kritik“ die schlimmen Verhältnisse nicht zu bekämpfen und zu überwinden sind, sondern „geheilt“ werden können: „Durch behutsame Lösung von Blockierungen löst sich von selbst eine Fülle von Problemen, die erst aus der Blockierung entstanden sind. Das ist vielleicht der tiefere Sinn des Wortes “Lösung”. Wir brauchen dieses Wort nur wörtlich zu nehmen – es beinhaltet den Schlüssel zu Heilungen vielfältiger Art.“ (Bernd Senf, Begründer der so genannten „Monetative“)
Es ist notwendig solchen Irreführungen entgegenzutreten und Protest und Widerstand wo immer möglich aufrechtzuerhalten, denn die Krise des Kapitals ist durchaus geeignet, auch das Kapitalverhältnis selbst in die Krise zu führen.
Die Nervosität der Kapitalseite, des ideellen Gesamtkapitalisten oder einfacher: der Regierungen, rührt in der aktuellen Situation nicht so sehr daher, dass es eine weitere vorübergehende Krise zu bewältigen gilt. Das Problem ist vielmehr, dass es von Seiten der Herrschenden keine neue Perspektive mehr gibt, die Metamorphose der Lüge funktioniert nicht mehr und das ist den Mächtigen zumindest instinktiv bewusst.
Das äußert sich in völlig kopflosem Krisenmanagment der Staaten bei gleichzeitig kopflosen Massenprotesten. Das muss aber nicht so bleiben. Die Frage ist, wie, wenn nicht brutal und repressiv, der scheiternde Kapitalismus verteidigt und in die nächste Runde gerettet werden soll.
Während Euro-, Banken- und Staatenrettungen zum Dauerszustand werden, verkürzt sich die Halbwertzeit dieser Rettungen auf Tage. Man kommt mit dem Retten kaum mehr hinterher.
Während im Bundestag die so genannten „Spanien-Rettung“ via 100 Milliarden Euro-Hilfe verabschiedet wurde, stiegen nicht nur die Zinsen für spanische Staatsanleihen auf ein Niveau, auf dem laut ftd.de „sich Spanien nicht auf Dauer am Markt finanzieren (kann), ohne dass die Staatsschulden wegen der steigenden Zinslast nicht mehr tragbar wären“. Der IWF wundert sich darüber, „dass ein Anstieg des Risikoaufschlags Spaniens um vier Prozentpunkte allein im ersten Halbjahr schon lange nicht mehr mit den Fundamentaldaten des Landes zu erklären sei“.
Verwunderung und Perspektivlosigkeit also allerorten, doch die Regierungen wissen, was auf sie zukommt, wenn der zwanglose Zwang zunehmend als die Lüge erscheint, der er ist, weil er eben nur so lange Menschen in Arbeit und somit kapitalistische Vergesellschaftung zwingen kann, solange er Arbeit bereitstellt bzw. generiert bzw. einsaugt.
Man rüstet sich also: „Sicherheitstechniker haben eine Schallkanone entwickelt, die einen weltrekordverdächtigen Lärm erzeugt. Auf Lastwagen montiert, soll das sogenannte Herbertzhorn in Zukunft Wasserwerfer ersetzen“, meldet entzückt ein Käseblatt aus Nordhessen und feixt: „Dem gebündelten Schall kann sich niemand auf weniger als etwa 100 Meter nähern, ohne dass ihm körperlich unwohl wird. Selbst bei Gehörschutzträgern löst die Lärm-Attacke so starke Schwingungen im Körper aus, dass Schwindel und Übelkeit die Folgen sind. Jeder, der beschallt wird, verlässt fluchtartig dessen Wirkungsbereich.“
Es kommt für Protestbewegungen also vor allem darauf an, sich nicht von Scheinlösungen und esoterisch strukturierter Kritik blenden zu lassen, sondern kühlen Kopf zu behalten, wo die Mächtigen den Ihren gerade verlieren und ihnen nichts mehr einfällt als ohrenbetäubender Lärm. Gleichzeitig ist es für soziale Kämpfe nicht in erster Linie entscheidend, warum, sondern dass sie geführt werden, allzu zimperlich sollte man dabei nicht sein.
Erschienen auf occupy-public-space.com am 25.7.2012
“Wenn Investoren in einen dünnen Markt verkaufen und niemand kaufen will, bekommen wir eben die Art von Blutbad wie am Freitag gesehen”, kommentierte laut ftd online der Chefsvolkswirt der Unicredit den erneuten Zinsanstieg für 10jährige spanische Staatsanleihen vom Freitag vergangener Woche und stellte fest: „Die Märkte sind disfunktional“
Wo Blutbäder sind, da wird geblutet:
In Indien, wo es das Kapital in die nächste Runde schaffen will, und wo die Mitarbeiter des Automobilherstellers Maruti Suzuki etwa 100 Euro im Monat verdienen, durften zwei Tage zuvor die Manager einmal mitbluten; die Chefetage wurde gestürmt, die Chefs verprügelt, der Personalchef starb bei einem von den Mitarbeitern gelegten Brand in dessen Büro.
Es wird ungemütlich, denn „ die Krisen vermehren sich derzeit wie die Karnickel. Nur von der Krise des Kapitals oder, wie die ganz Schlauen sagen, des Kapitalverthältnisses will niemand reden“, beschwert sich die jungle-world und übersieht, dass es zwischen Kapital und Kapitalverhältnis immer noch einen Unterschied gibt. Die ganz Schlauen wissen nämlich, dass die weltweite Krise zwar eine des Kapitals ist, das Kapitalverhältnis aber auch dann die nächste Runde erreichen kann und wohl auch wird, wenn der Kapitalismus an „seine innere Schranke stoßen“ sollte, wie es der dieser Tage verstorbene Robert Kurz formulierte.
Diese innere Schranke scheint nah, wenn in einer der letzten weltweiten Boomregionen, in China, der durchschnittliche Jahresverdienst der Lohnabhängigen bei 7800 Euro liegt und in Indien Leute für 1200 Euro im Jahr Autos zusammenbauen und das wohl letzte große kapitalistische „Wachstumswunder“ nur noch dadurch erkauft werden kann, dass Menschen jenseits der Überlebensfähigkeit zur Arbeit gezwungen werden müssen.
Und wenn´s dann ganz schlimm wird, gehen die Geschundenen schon mal auf die Chefs los.
Allerdings wusste schon George Orwell, dass von den Proletariern nichts zu befürchten (ist).
Sich selbst überlassen, werden sie von Generation zu Generation und von Jahrhundert zu Jahrhundert weiterhin arbeiten, Kinder zeugen und sterben, und das nicht nur ohne jeden Drang zur Rebellion, sondern ohne sich auch nur vorstellen zu können, daß die Welt ganz anders sein könnte, als sie ist.
Was bei Orwell noch Proletarier hieß, nennen wir heute Lohnabhängiger – wer abhängig von wem ist, kann immer nur im Gegensatz von Kapital und Arbeit deutlich werden, was denn sonst? – und wo der Autor von 1984 zwar einen pervertierten „Sozialismus“ imaginiert, hat er doch hellsichtig beschrieben, wie diejenigen, die für den unermesslichen Reichtum, den der hyperproduktive Kapitalismus heute generiert, täglich stundenlang arbeiten müssen ohne jemals selber reich werden zu können, von der Debatte um ihr eigenes Leben abgetrennt werden.
Der aus seinem kargen, unbefriedigenden Leben resultierende Mißmut wird gezielt nach außen gelenkt und die Überlegungen, die eventuell zu einer skeptischen oder rebellischen Haltung führen könnten, werden durch früh erworbene innere Disziplin von vornherein unterbunden.
Und weil es eben ein karges, unbefriedigendes Leben ist, das selbst der noch materiell gut gestellte Versicherungsangestellte, Bankbeamte, Bauarbeiter, Gymnasiallehrer, Zeitungsjournalist (zumindest Stand 24.7.2012) führt, wird dessen Missmut „nach außen“ gelenkt und er fühlt sich auf Fußballplätzen und –stadien, in Diskos, Kinos, vor dem Fernseher, bei Rockkonzerten und Urlaubsreisen gut unterhalten. Alle 4 Jahre darf er eine Einheitspartei wählen, die der Form halber, zumindest in Deutschland, sich in 4 bis 5 unterschiedliche Parteinamen splittert. So fühlt er sich gefragt und glaubt, etwas mitentscheiden zu dürfen: SPD oder CDU, Mallorca oder Malediven.
Alle glauben ja wirklich, die tägliche Plackerei in tausenden langweiligen Jobs sei notwendig, weil ja irgendjemand „den Wohlstand“ produzieren müsse.
Auf den Umstand verwiesen, dass heute auch minimale Arbeitszeiten ausreichen würden, um „den Wohlstand“ zu sichern, dass es eben wirklich nur noch eine Frage der Organisation wäre, oder auf die Frage, was genau ein Versicherungskonzern eigentlich „zum Wohlstand“ beiträgt, reagiert der Lohnabhängige verschnupft und/oder desinteressiert. Bei Orwell heißt das „Delstop“ und beschreibt zutreffend die geistige Verfasstheit des heutigen Massenmenschen.
Delstop bezeichnet die Fähigkeit, geradezu instinktiv auf der Schwelle jedes riskanten Gedankens haltzumachen. Es schließt die Gabe mit ein, Analogien nicht zu begreifen, logische Fehler zu übersehen, die simpelsten Argumente mißzuverstehen, (…), und von jedem Gedankengang, der in ketzerische Richtung führen könnte, gelangweilt und abgestoßen zu sein.
Der Trick dabei ist, dass die meisten Menschen ja nicht an sich zu dumm sind, um die Vorgänge um sie herum begreifen zu können, der Gesamtzusammenhang der menschlichen Gesellschaft erscheint ihnen vielmehr als „viel zu kompliziert“, ohne dass sie benennen könnten, was genau daran denn kompliziert wäre. Das Denken wird nicht durch Dummheit oder Verblödung, sondern durch unbemerkt antrainierte Disziplin unterbunden, die Lüge ist schlicht zur Wahrheit geworden.
Wenn es jetzt, wie in Spanien, Griechenland, Indien oder unter etwas anderen Vorzeichen auch in Syrien zu gewaltsamen Aufständen kommt, dann ist das nicht Folge eines tieferen Verständnisses – die Lüge von der Alternativlosigkeit kapitalistischer Vergesellschaftung und Produktionsweise wird auch in den meisten Protestbewegungen affirmiert – sondern der Schrei nach Einlösung des uneinlösbaren und von vornherein gelogenen Versprechens. Die Protestler wollen keine andere Welt, sondern Arbeitsplätze. Der begriffliche Selbstbetrug führt mittlerweile dazu, dass unter Kapitalismus nicht mehr die Ausbeutung durch ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse gesehen wird, sondern in einer mythischen Herrschaft von Finanzmärkten oder dem Wachstumszwang, der angeblich von Zins- und Zinseszinseffekten hervorgerufen wird und in fataler Weise firmiert solcherart Mystifizierung des Offensichtlichen neuerdings auch in den Protestbewegungen unter dem Label „Kapitalismuskritik“. Da wundert es dann nicht mehr, dass laut den Apologeten dieser Art von „Kritik“ die schlimmen Verhältnisse nicht zu bekämpfen und zu überwinden sind, sondern „geheilt“ werden können: „Durch behutsame Lösung von Blockierungen löst sich von selbst eine Fülle von Problemen, die erst aus der Blockierung entstanden sind. Das ist vielleicht der tiefere Sinn des Wortes “Lösung”. Wir brauchen dieses Wort nur wörtlich zu nehmen – es beinhaltet den Schlüssel zu Heilungen vielfältiger Art.“ (Bernd Senf, Begründer der so genannten „Monetative“)
Es ist notwendig solchen Irreführungen entgegenzutreten und Protest und Widerstand wo immer möglich aufrechtzuerhalten, denn die Krise des Kapitals ist durchaus geeignet, auch das Kapitalverhältnis selbst in die Krise zu führen.
Die Nervosität der Kapitalseite, des ideellen Gesamtkapitalisten oder einfacher: der Regierungen, rührt in der aktuellen Situation nicht so sehr daher, dass es eine weitere vorübergehende Krise zu bewältigen gilt. Das Problem ist vielmehr, dass es von Seiten der Herrschenden keine neue Perspektive mehr gibt, die Metamorphose der Lüge funktioniert nicht mehr und das ist den Mächtigen zumindest instinktiv bewusst.
Das äußert sich in völlig kopflosem Krisenmanagment der Staaten bei gleichzeitig kopflosen Massenprotesten. Das muss aber nicht so bleiben. Die Frage ist, wie, wenn nicht brutal und repressiv, der scheiternde Kapitalismus verteidigt und in die nächste Runde gerettet werden soll.
Während Euro-, Banken- und Staatenrettungen zum Dauerszustand werden, verkürzt sich die Halbwertzeit dieser Rettungen auf Tage. Man kommt mit dem Retten kaum mehr hinterher.
Während im Bundestag die so genannten „Spanien-Rettung“ via 100 Milliarden Euro-Hilfe verabschiedet wurde, stiegen nicht nur die Zinsen für spanische Staatsanleihen auf ein Niveau, auf dem laut ftd.de „sich Spanien nicht auf Dauer am Markt finanzieren (kann), ohne dass die Staatsschulden wegen der steigenden Zinslast nicht mehr tragbar wären“. Der IWF wundert sich darüber, „dass ein Anstieg des Risikoaufschlags Spaniens um vier Prozentpunkte allein im ersten Halbjahr schon lange nicht mehr mit den Fundamentaldaten des Landes zu erklären sei“.
Verwunderung und Perspektivlosigkeit also allerorten, doch die Regierungen wissen, was auf sie zukommt, wenn der zwanglose Zwang zunehmend als die Lüge erscheint, der er ist, weil er eben nur so lange Menschen in Arbeit und somit kapitalistische Vergesellschaftung zwingen kann, solange er Arbeit bereitstellt bzw. generiert bzw. einsaugt.
Man rüstet sich also: „Sicherheitstechniker haben eine Schallkanone entwickelt, die einen weltrekordverdächtigen Lärm erzeugt. Auf Lastwagen montiert, soll das sogenannte Herbertzhorn in Zukunft Wasserwerfer ersetzen“, meldet entzückt ein Käseblatt aus Nordhessen und feixt: „Dem gebündelten Schall kann sich niemand auf weniger als etwa 100 Meter nähern, ohne dass ihm körperlich unwohl wird. Selbst bei Gehörschutzträgern löst die Lärm-Attacke so starke Schwingungen im Körper aus, dass Schwindel und Übelkeit die Folgen sind. Jeder, der beschallt wird, verlässt fluchtartig dessen Wirkungsbereich.“
Es kommt für Protestbewegungen also vor allem darauf an, sich nicht von Scheinlösungen und esoterisch strukturierter Kritik blenden zu lassen, sondern kühlen Kopf zu behalten, wo die Mächtigen den Ihren gerade verlieren und ihnen nichts mehr einfällt als ohrenbetäubender Lärm. Gleichzeitig ist es für soziale Kämpfe nicht in erster Linie entscheidend, warum, sondern dass sie geführt werden, allzu zimperlich sollte man dabei nicht sein.
Erschienen auf occupy-public-space.com am 25.7.2012
Nicolai Hagedorn - 31. Jan, 00:53