Gute Wahl!

Während Deutschland unter seiner Führerin Angela Merkel auf dem Weg zum ökonomischen Weltreich kaum zu stoppen ist, bleibt den Wahlberechtigten bei der drohenden Bundestagsabstimmung keine Wahl. Fast keine.

Früher, so der Satiriker Hans Zippert, gab es Briefmarken mit den jeweiligen Bundespräsidenten darauf. Dies sollte, so Zippert in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ weiter, wieder eingeführt werden, da auf diese Weise der jeweilige Amtsinhaber „die Würde und Bürde dieses Amtes wieder spüren“ würde. „Und auch der Bürger könnte in einem Akt der Triebabfuhr diese Briefmarke von hinten anlecken und aufkleben.“
Der derzeitige Bundespräsident trägt den unangenehmen Namen „Gauck“. Über den Gauck wusste Rayk Wieland in konkret bereits 1997 zu berichten, dass jener in der DDR mit der Stasi zusammengearbeitet hatte, was von der Behörde auch in dem so genannten „Operativen Vorgang Larve“ dokumentiert wurde: „Des weiteren äußerte er seine Sorge darüber, daß die »positiven Zielsetzungen, die die sozialistische Gesellschaft in der DDR hat«, nicht erfüllt würden und daß »ein Großteil der DDR-Bürger ein devisenorientiertes Konsumdenken besitzt, das schon seine ideologischen Spuren bei den Menschen hinterlassen« habe“, zitiert Wieland des Bundespräsis Stasi-Akte. Der gleiche Gauck sprach nur wenige Jahre später, nach der Annektierung Ostdeutschlands durch die BRD: „Ich bin von Herzen Antifaschist, aber Sie werden es mir nur dann glauben, wenn Sie auch spüren, daß ich aus Anstand und Moral und aus Wissen Antikommunist bin.“

"Wer nicht wählt, verzichtet auf Partizipation, verzichtet auf die wichtigste Form, mitzubestimmen."

Mit Gauck, der 2012 in der Bundesversammlung unter anderem von Geistesgrößen wie Otto Rehhagel, Frank Elstner oder Senta Berger ins Amt geschoben wurde, darf sich nun einer der beeindruckendsten Wendehälse deutscher Geschichte in einer Reihe mit vormaligen NSDAP-Mitgliedern (Karl Carstens, Walter Scheel) und KZ-Architekten (Heinrich Lübke) wähnen. Man wird diese Herren nur mit zugehaltener Nase anlecken wollen, Triebabfuhr hin oder her.
Der Nachfolger zahlreicher Nazis also, spricht zum Wahlvolk: "Wer nicht wählt, verzichtet auf Partizipation, verzichtet auf die wichtigste Form, mitzubestimmen."
Und wer möchte bei diesem Theater nicht mitmachen?
Leute wie Gauck, Merkel, Dings in ihre Ämter zu wählen, ist, das weiß jeder, der einmal als Wähler gewirkt hat, in erster Linie antiemanzipatorisch, eine nur noch symbolische Handlung der Selbstaufgabe. Denn die Selbstbestimmung hat der im Kapitalismus Wesende längst abgegeben, genaugenommen im Moment der eigenen Geburt, die jeden von vornherein unter das Regime des Kapitalfetisches degradiert. Robert Kurz bringt das in „Geld ohne Wert“ auf den Punkt, wenn er darauf hinweist, dass Demokratie „nichts ist, als die Internalisierung der Fetisch-Autorität ins Bewusstsein, sozusagen als Polizei im eigenen Kopf, um sich selbst nach Vorgaben des `automatischen Subjekts` zu steuern. Der höchste Grad der demokratischen Teilhabe bestünde dann darin, sich selber die notwendige Armut zu verordnen oder sich gleich sozialverträglich aufzuhängen, am besten qua basisdemokratischen Mehrheitsbeschluss. Unter Kannibalen muss eben ab und zu jemand in den Kochtopf wandern, und das Prozedere lässt sich vorzüglich demokratisieren.“

Wenn Zippert das demokratisch gewählte Staatsoberhaupt zur auf Briefmarkenformat geschrumpften, vom Volk angeleckten und aufgeklebten Witzfigur ironisiert, wird nicht nur die Nichtsnutzigkeit des präsidialen Amtes ausgestellt, sondern auch die Distanz und Entfremdung der gewählten Vertreter zum und vom Wahlvolk. Der Bundespräsident als staatstragende Figur dient dabei qua der dem Amt zukommenden Bräsigkeit nur als besonders lächerliches Symbol abgehobener Staatsmach.. Dass eine solche Figur dem deutschen Volk ganz hervorragend gefällt und grandiose Zustimmungswerte in Umfragen erzielt, darf niemanden wundern, der mindestens eine vage Vorstellung davon hat, was den deutschen Volkscharakter ausmacht.

Dass auch die Politikdarsteller mit mehr handfestem Einfluss gar keine andere Möglichkeit haben, als national borniert zu handeln, liegt darin begründet, dass der weltweite Kapitalismus den Planeten längst in Standorte eingeteilt hat, mithin der Kapitalfetisch jede politische Entscheidung determiniert. Auch die gewählten Entscheider haben gar keine Wahl, was sich auch rhetorisch in der berühmten „Alternativlosigkeit“ niederschlägt, ein Nicht-Argument, dass dazu führt, dass noch die verrücktesten Maßnahmen, die sich offensichtlich gegen das Wohlbefinden der „eigenen“ Bevölkerung richtet, von den Betroffenen weitgehend widerspruchslos hingenommen werden, weil sie ja doch dem Standort dienen. Steuersenkungen, Hartz IV, Ermöglichung massenhafter prekärer Beschäftigung: „Jedes Gesetz, das aus einem sozialen Impetus entstanden sein mag und die Probleme der Verschuldung lösen soll, endet todsicher mit einer Bevorzugung der `Besserverdienenden`“(Metz/Seeßlen). Proteste dagegen regen sich kaum.
Mehr noch: „Ökonomisierung und Privatisierung machen vor keiner gesellschaftlichen Instanz Halt: nicht vor Parteien, die längst zu Klientel-abhängigen Wirtschaftsunternehmen geworden sind, zu Unternehmen, in die man Geld und Informationen hineinträgt, um dafür Regelungen, Gesetze oder – andersherum – die Verhinderung von Regelungen, Gesetzen und Aufmerksamkeit zu bekommen (...)“ (a.a.O.)

Wer aber wählt, bekennt sich zur Gültigkeit des bürokratischen Molochs der Kapitalverwaltung


Mithin ist es doppelt egal, wer zu was gewählt wird, am Ende ist jede Entscheidung der unüberwindlichen Standortlogik und in der anhaltenden Krise zusätzlich einem immer verrückter werdendem Finanzierungsvorbehalt unterworfen, also alternativlos. Dem kann sich niemand entziehen, auch nicht die Linkspartei, die zwar im Bundestag wacker gegen praktisch jede Entscheidung der Blockparteien CDU, SPD, FDP und Grüne stimmt, aber die Oppositionshaltung stante pede ablegen muss, sobald sie in eine verantwortliche Position gewählt wird. Dann gehen ihre Entscheider genauso alternativlos asozial den Weg alles Sozialdemokratischen wie die Originale SPD und Gründe, was man etwa im Berliner Senat sehr anschaulich verfolgen kann.
Eine der Parteien zu wählen, ist also politisch überflüssig: Welche Partei die alternativlosen Entscheidungen trifft, ist offensichtlich gleichgültig.
Wer aber wählt, bekennt sich zur Gültigkeit des bürokratischen Molochs der Kapitalverwaltung und mithin auch zu dem darin herrschenden Kapitalfetisch. Wer unter kapitalistisch-demokratischen Bedingungen sich an Abstimmungen beteiligt, affirmiert unweigerlich das demokratisch-kapitalistische Fetischregime, wie jeder Mensch, der an einer Abstimmung über das nächste Mahl in einer Menschenfresser-Community teilnimmt, den Kannibalismus in Kauf nimmt. Selbstverständlich mit der Gefahr, selbst das nächste Opfer zu werden. „Für den Psychologen sind alle Wähler konservativ. Sie haben ausnahmslos das Bestreben, in das Rädchen zu fließen, das dem mächtigen Staatsrad am schnellsten vorwärts hilft. Sie erkennen damit die Notwendigkeit des Bestehenden und den Wert seiner Erhaltung an.“(Mühsam 1907)

Dennoch zeigen sich auch innerhalb des alternativlosen Systems teils bedenkliche, teils naive, teils spöttisch-ironische Reaktionen. Diese kristallisieren sich in der Gründung von Splitter- bzw. Splatterparteien (AfD), die zum Teil die Hoffnung der Wähler bedienen, elementare menschliche Bedürfnisse gegen die Hybris der Alternativlosigkeit zu verteidigen. So erhielt mit den Piraten eine Partei, deren Namen schon Rebellion und einen Gegenstandpunkt signalisiert 2012 monatelang zweistellige Zustimmungswerte in den Sonntagsfragen. Schnell wurde jedoch klar, dass auch diese Gruppierung letztlich keine Vorstellung davon hat und vermitteln kann, wie denn eine Alternative zum Bestehenden aussehen könnte. Die Piratenpartei büßte ihre Faszination schnell ein.
Das Beispiel zeigt aber, dass das kapitalisierte Wahlvieh offenbar doch noch eine gewisse Restvernunft besitzt, die es zumindest instinktiv hoffen lässt, dass es außer der bestehenden Vergesellschaftung qua Konkurrenz- und Verwertungszwang noch etwas anderes geben könnte, dass es eben eventuell doch eine Alternative gibt.

Die PARTEI hat immer recht


Das Satiremagazin Titanic, dessen Chefredakteur auch der oben zitierte Hans Zippert einmal war, ist das Zentralorgan einer ganz besonderen Partei. Angeführt von den Ex-Titanic-Chefredakteuren Martin Sonneborn (Parteivositzender) und Oliver Maria Schmitt (Kanzlerkandidat) tritt „die PARTEI – Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ gewissermassen als Über-Partei zur Wahl an. In Kanzlerkandidat Schmitts Buch „Mein Wahlkampf“ geht es laut Kurzauskunft „um Macht, Drogen und Sex, um den Wahn, noch besser aussehen zu wollen als Berlusconi und Guttenberg zusammen, um Merkel und Machiavelli, um Barschel, Brandt und Brüderle – und natürlich um die alles entscheidende Frage: »Wollt ihr den totalen Wahlsieg?« “
In Hintergrundgesprächen hört man immer wieder, dass Vergleiche mit der italienischen Grillo-Partei oder der FDP bei der PARTEI gar nicht gern gehört werden, schließlich sei man ja keine Spaßpartei.
Mit Wahlslogans wie „Wählt die PARTEI – sie ist sehr gut“ oder „Das Bier entscheidet“ ist die PARTEI tatsächlich eine Alternative zum Nichtwählen und mit ihrem von Chlodwig Poth adapierten Motto „Die endgültige Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag“ auch für Anarchisten wählbar.
Die „Flügelkämpfe“ der Vergangenheit sind derweil wohl ausgestanden. PARTEI-Strömungen wie die „verfassungsfeindliche Plattform“ oder die „Hintner-Jugend“, benannt nach Titanic-Layouter Tom Hintner, rücken im Wahlkampf noch enger zusammen. Sonneborn gab daher in der Zeit in aller Bescheidenheit das Wahlziel aus: „100 Prozent plus X – das X sind die Überhangmandate.“
Die Tatsache, dass der Autor dieser Zeilen als Mitglied und Listenkandidat der PARTEI in Hessen mit um die totale Machtergreifung kämpft, ändert nichts an der unbestechlichen Objektivität des Artikels. Und somit empfehle ich als Mitherausgeber der GWR und als Mensch die PARTEI zu wählen, denn die PARTEI hat immer Recht! Echt jetzt!

Der Artikel ist in leicht veränderter Fassung erschienen in
Graswurzelrevolution (GWR 381)
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