Wer regiert das Geld?

Zum Tode von Margrit Kennedy

Wer die energische kleine Frau live erlebt hat, weiß, dass Margrit Kennedy es mit ihrem Engagement ernst meinte. Seit Anfang der 1980er Jahre kämpfte sie gegen die Auswüchse des Zinssystems, das sie als Grund des kapitalistischen Übels ausgemacht hatte. »Ich glaube, dass es in unserem Bildungssystem eine kleine Bildungslücke gibt«, erklärte sie 2011 in der NDR-Talkshow und verblüffte die anwesenden Prominenten mit der Frage, ob sie sich eher wöchentlich 1000 Euro auszahlen lassen würde oder einen Cent als Einstiegslohn, der sich von Woche zu Woche verdopple. 22,5 Billionen Euro verdiene man mit der zweiten Variante in einem Jahr.

Studiert hatte Kennedy Architektur. Sie arbeitete in den 1970ern u.a. für OECD und UNESCO in Nord- und Südamerika, promovierte in Pittsburgh und lehrte später an der Uni Kassel. Anlässlich der Internationalen Bauausstellung in Berlin 1977-87 leitete sie den Forschungsbereich Ökologie, Energie und Frauenprojekte und stieß dabei auf Finanzierungsprobleme ökologischer Bauvorhaben, was sie dazu brachte, den Finanzierungsvorbehalt vieler Betriebe in Sachen Umweltschutz zu hinterfragen. Kennedy machte sich daran, den Wachstumszwang der kapitalistischen Wirtschaft auf Fehler im Geldsystem hin zu überprüfen und veröffentlichte 1987 das Buch »Geld ohne Zinsen und Inflation«. Darin analysierte sie die Möglichkeiten alternativer Währungen und Geldsysteme.

Mit den jüngsten Finanzkrisen interessierte sich eine breitere Öffentlichkeit für ihre Thesen. Als die Occupy-Bewegung in Deutschland aktiv wurde, beriet Kennedy die Aktivisten. Sie gründete die Gruppe »Occupy Money« mit und veröffentlichte ein gleichnamiges Buch. »Geld regiert die Welt! Das ist heute offensichtlich. Doch wer regiert das Geld? Die weltweite Wirtschaftskrise belegt, dass diese Frage für die meisten Menschen zur Überlebensfrage geworden ist«, heißt es im Vorwort.

Kennedy war überzeugt, dass der krisenhafte Kapitalismus zu »heilen« sei, übersah aber, dass die Wachstumsnotwendigkeit nicht monokausal erklärt werden kann. Ihr Engagement für eine bessere Welt war ehrlich, ihre Argumentation aber konnte einer Überprüfung oft nicht standhalten. Weder lässt sich die durch Zins und Zinseszins hervorgerufene exponentielle Vervielfachung von Schulden empirisch nachweisen, noch ist der Zusammenhang logisch haltbar.

So enthält das politische Engagement Kennedys eine gewisse Tragik, da sie ihre einmal gewonnene Erkenntnis von den Auswirkungen des falschen Geldsystems nicht weiterentwickeln konnte und damit noch 2011 Regionalwährungen und Zeitbanken propagierte. Kennedy wollte die kapitalistischen Grundkategorien nicht überwinden, sondern so einhegen, dass sie den Menschen dienen. Sie war eine streitbare und energische Kritikerin der Verhältnisse. Am vergangenen Sonnabend starb sie wenige Monate nach einer Krebsdiagnose im Ökodorf »Lebensgarten Steyerberg« - einem Projekt, für das sie sich bis zu ihrem Tod engagiert hatte.

Erschienen in Neues Deutschland vom 31.12. 2013
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