Wunschträume von einer vierten Gewalt
Das ursprüngliche Vollgeld-Konzept, das heute von Josef Ackermanns Doktorvater Hans-Christoph Binswanger propagiert und sogar in einem Papier des Internationalen Währungsfonds empfohlen wird, hatte in den 1930er und 1940er Jahren viele Anhänger unter Nationalökonomen und korrespondierte mit Ideen des Antikommunisten Silvio Gesell. So ist von dem damals prominentesten Vollgeld-Befürworter Irving Fisher das Bekenntnis überliefert, er sei »nur ein bescheidener Schüler des Kaufmanns Gesell«.
Schon in den 1990er Jahren warnte der Marxist Robert Kurz vor der Wiederkehr Gesellscher Theorien: »Statt den Anspruch menschlicher Autonomie gegen den Systemterror der Marktwirtschaft zu formulieren, vertreten die Neo-Gesellianer gar nicht klammheimlich die wölfische Autonomie des reinen Marktteilnehmers gegen jeden menschlichen und sinnlichen Anspruch außerhalb der warenförmigen Abstraktionen.« Was die Vollgeld-Apologeten damals wie heute als Krisenursache ausgemacht haben, ist die Giralgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken, also die nicht durch Zentralbankgeld gedeckte Weitergabe von Sichteinlagen an die Kunden. Diese werde durch die Einführung des Vollgeldes unmöglich. Die Geschäftsbanken müssten nach einer Vollgeld-Reform »echtes« Zentralbankgeld an die Kunden weitergeben, die Sichteinlagen zu hundert Prozent durch Zentralbankgeld gedeckt sein.
Was zunächst tatsächlich wie eine Verstaatlichung von Geldschöpfungsgewinnen, Zügelung der Banken und Verwirklichung der Lieblingsforderung aller Kapitalismusreformer »Brecht die Macht der Banken und Konzerne« aussehen mag, läuft in Wahrheit auf die Kontrolle der Geldschöpfung durch eine monetäre vierte Gewalt (die »Monetative«) hinaus. Das Vollgeld-Konzept ist schlicht eine Forderung nach einer »Revolution von oben«, statt Emanzipation wird hier Zentralisierung vorgeschlagen. In der Initiativerklärung des Monetative e. V. heißt es unverblümt, die neue Zentralbank müsse »unabhängig gegenüber Begehrlichkeiten von Regierung und Parlament« gestellt werden.
Dabei ist die massive Ausweitung der Geldmenge, von den Zentralbanken seit Jahren selbst herbeigeführt, die notwendige Reaktion auf die Kreditklemme sowie die fehlenden Kapitalakkumulationsmöglichkeiten innerhalb der »Realwirtschaft«. Insofern hätte eine Vollgeld-Zentralbank die Möglichkeit, das Geld, das derzeit »aus dem Nichts« geschöpft wird, tatsächlich zu »drucken«, was zu einer massiven Geldentwertung führen muss, solange der Geldmenge keine reale Wertsubstanz zugrunde liegt. Der Ökonom Thorsten Polleit stellt zu Recht fest: »Dann würden nicht mehr die Geschäftsbanken Geld aus dem Nichts schöpfen, sondern die Zentralbanken.« Alternativ könnten die Zentralbanker durch Verknappung der Geld- und damit der Kreditmenge Wirtschaftskrisen noch verschärfen.
Der Monetative-Vereinsvorsitzende Joseph Huber vertraute dagegen »Spiegel Online« an, mit dem Vollgeld ließen sich sogar die Staatsschulden reduzieren: »Huber geht davon aus, dass dem Staat allein in Deutschland 14 bis 42 Milliarden Euro jährlich zufließen würden, weil nicht mehr die Geschäftsbanken, sondern die Notenbanken die Gewinne aus der Geldschöpfung einstreichen könnten.« Unter monetative.de findet sich dazu diese Erklärung: »Ein inflationsneutraler Zuwachs der Geldmenge entspricht dem zu erwartenden Wachstum der Realwirtschaft. So entsprechen nach heutigen Maßstäben 1-2-3 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland einem Geldmengenzuwachs und somit einer Seigniorage in Höhe von 25-50-75 Milliarden Euro. Damit lassen sich 2,4-4,8-7,2 Prozent der öffentlichen Gesamtausgaben bestreiten.«
Die Vollgeldianer wollen also die Krisenhaftigkeit des Kapitals bewältigen, indem sie die Geldmenge dem Wirtschaftswachstum anpassen, Geld drucken und aus den dabei erzielten Seigniorage-Gewinnen die Schulden der Staaten tilgen, was die Abhängigkeit jeder haushaltspolitischen Entscheidung von wirtschaftlichen Wachstumsraten weiter zementieren würde. Angesichts der Tatsache, dass viele Staaten am Beginn einer Rezession stehen, bleibt dabei völlig unklar, wie das überhaupt funktionieren soll.
Das hier von bürgerlichen Eliten und Teilen des angeschlossenen Wissenschaftsbetriebes vermarktete Konzept will die Zumutungen des Kapitalismus nicht überwinden, sondern im Gegenteil diesen krisenfester machen und liberale Wunschträume von einer vierten, monetaristischen »Gewalt« ins Werk setzen. Es richtet sich damit gegen die Emanzipation des Menschen von der Fetischware Geld und der irrationalen Verwertungslogik des Kapitals.
Erschienen in Neues Deutschland vom 08.12.2012
Schon in den 1990er Jahren warnte der Marxist Robert Kurz vor der Wiederkehr Gesellscher Theorien: »Statt den Anspruch menschlicher Autonomie gegen den Systemterror der Marktwirtschaft zu formulieren, vertreten die Neo-Gesellianer gar nicht klammheimlich die wölfische Autonomie des reinen Marktteilnehmers gegen jeden menschlichen und sinnlichen Anspruch außerhalb der warenförmigen Abstraktionen.« Was die Vollgeld-Apologeten damals wie heute als Krisenursache ausgemacht haben, ist die Giralgeldschöpfung durch die Geschäftsbanken, also die nicht durch Zentralbankgeld gedeckte Weitergabe von Sichteinlagen an die Kunden. Diese werde durch die Einführung des Vollgeldes unmöglich. Die Geschäftsbanken müssten nach einer Vollgeld-Reform »echtes« Zentralbankgeld an die Kunden weitergeben, die Sichteinlagen zu hundert Prozent durch Zentralbankgeld gedeckt sein.
Was zunächst tatsächlich wie eine Verstaatlichung von Geldschöpfungsgewinnen, Zügelung der Banken und Verwirklichung der Lieblingsforderung aller Kapitalismusreformer »Brecht die Macht der Banken und Konzerne« aussehen mag, läuft in Wahrheit auf die Kontrolle der Geldschöpfung durch eine monetäre vierte Gewalt (die »Monetative«) hinaus. Das Vollgeld-Konzept ist schlicht eine Forderung nach einer »Revolution von oben«, statt Emanzipation wird hier Zentralisierung vorgeschlagen. In der Initiativerklärung des Monetative e. V. heißt es unverblümt, die neue Zentralbank müsse »unabhängig gegenüber Begehrlichkeiten von Regierung und Parlament« gestellt werden.
Dabei ist die massive Ausweitung der Geldmenge, von den Zentralbanken seit Jahren selbst herbeigeführt, die notwendige Reaktion auf die Kreditklemme sowie die fehlenden Kapitalakkumulationsmöglichkeiten innerhalb der »Realwirtschaft«. Insofern hätte eine Vollgeld-Zentralbank die Möglichkeit, das Geld, das derzeit »aus dem Nichts« geschöpft wird, tatsächlich zu »drucken«, was zu einer massiven Geldentwertung führen muss, solange der Geldmenge keine reale Wertsubstanz zugrunde liegt. Der Ökonom Thorsten Polleit stellt zu Recht fest: »Dann würden nicht mehr die Geschäftsbanken Geld aus dem Nichts schöpfen, sondern die Zentralbanken.« Alternativ könnten die Zentralbanker durch Verknappung der Geld- und damit der Kreditmenge Wirtschaftskrisen noch verschärfen.
Der Monetative-Vereinsvorsitzende Joseph Huber vertraute dagegen »Spiegel Online« an, mit dem Vollgeld ließen sich sogar die Staatsschulden reduzieren: »Huber geht davon aus, dass dem Staat allein in Deutschland 14 bis 42 Milliarden Euro jährlich zufließen würden, weil nicht mehr die Geschäftsbanken, sondern die Notenbanken die Gewinne aus der Geldschöpfung einstreichen könnten.« Unter monetative.de findet sich dazu diese Erklärung: »Ein inflationsneutraler Zuwachs der Geldmenge entspricht dem zu erwartenden Wachstum der Realwirtschaft. So entsprechen nach heutigen Maßstäben 1-2-3 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland einem Geldmengenzuwachs und somit einer Seigniorage in Höhe von 25-50-75 Milliarden Euro. Damit lassen sich 2,4-4,8-7,2 Prozent der öffentlichen Gesamtausgaben bestreiten.«
Die Vollgeldianer wollen also die Krisenhaftigkeit des Kapitals bewältigen, indem sie die Geldmenge dem Wirtschaftswachstum anpassen, Geld drucken und aus den dabei erzielten Seigniorage-Gewinnen die Schulden der Staaten tilgen, was die Abhängigkeit jeder haushaltspolitischen Entscheidung von wirtschaftlichen Wachstumsraten weiter zementieren würde. Angesichts der Tatsache, dass viele Staaten am Beginn einer Rezession stehen, bleibt dabei völlig unklar, wie das überhaupt funktionieren soll.
Das hier von bürgerlichen Eliten und Teilen des angeschlossenen Wissenschaftsbetriebes vermarktete Konzept will die Zumutungen des Kapitalismus nicht überwinden, sondern im Gegenteil diesen krisenfester machen und liberale Wunschträume von einer vierten, monetaristischen »Gewalt« ins Werk setzen. Es richtet sich damit gegen die Emanzipation des Menschen von der Fetischware Geld und der irrationalen Verwertungslogik des Kapitals.
Erschienen in Neues Deutschland vom 08.12.2012
Nicolai Hagedorn - 31. Jan, 23:22