Häuserkampf statt Eiersuche

Linke Aktivisten besetzten in einer konzertierten Aktion am Ostersonntag zwei leerstehende Häuser im Frankfurter Gallusviertel. Nach der Räumung beider Gebäude erfuhren sie mehr Unterstützung aus der Frankfurter Bevölkerung als erwartet.

Das Klima zwischen der politischen Linken und der Polizei in Deutschlands Bankenmetropole ist spätestens seit der Einkesselung von knapp 1000 Demonstranten im Zuge der Blockupy-Proteste im Sommer 2013 nachhaltig vergiftet.
Als am Nachmittag des Ostersonntags ein vom Abriss bedrohtes Haus nahe des Frankfurter Gallus Theaters von linken Aktivisten besetzt wurde, reagierte die Polizeiführung aggressiv. Rund 30 Besetzer hatten sich in dem Haus in der Weilburger Straße verschanzt, als die Polizei mit mehreren Einsatzwagen anrückte, den Zugang zu dem Gebäude blockierte und die vor der Zufahrt versammelten rund 50 Unterstützer aufforderte, die Zufahrt zu verlassen. Sie könnten, so die Polizeidurchsage, dort weiterdemonstrieren. Warum man seitens der Polizeiführung auf einem Ortswechsel von rund 30 Metern bestand, blieb unklar, aber Einsatzleiter Holger Rohlfing erklärte gegenüber den anwesenden Journalisten: „Wenn die nicht mitmachen, kriegen die eben eins in die Fresse.“ Das Haus wurde am Ostermontag nach rund 24stündiger Belagerung durch die Polizei von den Aktivisten freiwillig verlassen.
Nur kurz nach der ersten Besetzung wurde von einer deutlich größeren Gruppe ein weiteres Gebäude, keine 15 Minuten Fußweg entfernt, ebenfalls in Beschlag genommen. Diese zweite Aktion stand unter dem Motto „IvI resurrection“, was sich auf das vor Jahresfrist geräumte „Institut für vergleichende Irrelevanz“ nahe des alten Frankfurter Uni-Campus bezog. Bis Montag Abend war das Haus besetzt, offenbar genügten die verfügbaren Polizeikräfte nicht, um die Zugänge zu dem weiträumigen Gelände zu blockieren, sodass sich bald Familienfeststimmung einstellte. Es wurde gegrillt, mehrere Kinder spielten vor dem besetzten Objekt und ein Kulturprogramm wurde organisiert.
Den für die Besetzungen verantwortlichen linken Gruppen geht es neben der Suche nach einer neuen Unterkunft für das IvI vor allem darum, auf die zunehmende Gentrifizierung der Frankfurter Innenstadt hinzuweisen. Das besetzte Haus werde „vielen Frankfurtern zurückgeben, was sie unabhängig ihres Kontostands verdienen“, hieß es in einer Erklärung. Man kritisiere, „dass die Frankfurter Kommunalpolitik Stadtentwicklung hauptsächlich Mechanismen des kapitalistischen Marktes“ überlasse, wer sich Kaltmieten von über 12 Euro pro Quadratmeter nicht leisten könne, werde aus der Stadt verdrängt.
Im Frankfurter Gallus soll bis 2019 das so genannte Europaviertel entstehen. Ein Prestigeprojekt, bei dem ein künstliches neues Stadtviertel mit Büros, Hotels und hochpreisigen Wohnungen geschaffen werden soll.
Nachdem am Dienstag nach Ostern auch das zweite Gebäude geräumt worden war, verlor die Polizei zwei Tage später bei einer nicht angemeldeten Solidaritätsdemonstration mit über 600 Teilnehmern am Donnerstag Abend zeitweise die Kontrolle über die Situation. Offenbar hatten sich mehr Frankfurter Bürger den Protesten gegen die horrenden Mietsteigerungen der letzten Jahre angeschlossen, als von der Polizeiführung erwartet. Am altehrwürdigen Opernplatz herrschten eine Stunde lang chaotische Zustände, ehe die Polizei mit einem Großaufgebot die Lage zumindest vor der Alten Oper wieder in den Begriff bekam.
Später teilte sich der Demonstrationszug, mitten auf der zentralen Frankfurter Einkaufsmeile „Zeil“ kam es später erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstrationsteilnehmern und den Ordnungshütern. Stundenlang kreiste ein Polizeihubschrauber über der Stadt, erst gegen 22 Uhr beruhigte sich die Situation.

Erschienen in Graswurzelrevolution Sommer 390 (Sommer 2014)
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