"Wir werden immer mehr sein als die"

Während in Köln, München und andernorts nach Aufkommen der Dresdner Pegida-Bewegung sehr schnell Gegendemonstrationen organisiert wurden, hat sich in Frankfurt lange nichts getan. Die Gruppe „No Fragida“, die auf Facebook für eine geplante Gegendemonstration bereits über 16.000 Zusagen sammeln konnte, arbeitet gemeinsam mit anderen daran, dies zu ändern. Eine der Initiatorinnen der Gruppe und Mitglied der Partei die Linke, Annette Ludwig erklärt in der GWR, wie die Proteste jetzt organisiert werden und wie sie mit Kritik daran umgeht.

GWR: Warum gab es so lange keine Anti-Pegida-Aktionen in Frankfurt?
Ludwig: Wir wollten sehr breit gegen Fragida, so heißt das in Frankfurt, aufrufen. Dabei war es uns wichtig, alle Bündnispartner an einen Tisch zu bekommen. Es haben sich schließlich 60 verschiedene Gruppen zusammengefunden. Wir waren im übrigen auch schon zuvor aktiv.
GWR: Welche Aktionen waren das?
Ludwig: Wir haben im Grunde verhindert, dass sich Fragida überhaupt konstituieren kann. Wir sind mit 300 Leuten zu der Lokalität „spaziert“, in der sich die Gruppe getroffen hat, wo wir beobachten konnten, wie neben dem AfD-Mann Brill ein gewisser Herr Jagsch (gemeint ist Stefan Jagsch, der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD, d. Red.) am Tisch saß, was wir später bekannt gemacht haben. Außerdem haben wir eine Demo in Frankfurt blockiert, auch mit rund 300 Leuten. Damit war Fragida Geschichte. Die linke, antirassistische Szene in Frankfurt ist zu stark, die politische Kultur zu offen und international, als dass Nazis hier Fuß fassen können und dabei soll es auch bleiben.
Jetzt bildet sich offenbar ein neues Bündnis, das im Frankfurter Umland zu mobilisieren versucht. Das sehen wir aber gelassen, wir werden in Frankfurt jederzeit mehr sein als die.

Hans-Peter Brill, bis dahin Mitglied des Vorstandes der AfD Frankfurt und Initiator von „Fragida“, trat nach Bekanntwerden seiner Kooperation mit dem NPD-Vertreter aus der AfD aus, nachdem der Landesverband der AfD ihm mit einer „Ordnungsmaßnahme“ gedroht hatte. Brill erklärte, er habe nicht gewusst, dass bei dem Fragida-Vorbereitungstreffen ein NPD-Vertreter dabei war. Das habe er erst später erfahren. Schließlich deutete er an, die Demonstration in Frankfurt aufgrund der starken Gegenproteste gar nicht erst anmelden zu wollen.

GWR: Wie setzt sich das Bündnis gegen Fragida zusammen?
Ludwig: Die tragende Gruppe ist das Römerbündnis, ein Zusammenschluss des DGB, des Jugendrings Frankfurt sowie der jüdischen, katholischen und evangelischen Gemeinden in Frankfurt, das sich in Reaktion auf aufkommende Nazistrukturen bereits in den 80er Jahren gegründet hat. Es beteiligen sich aber auch Migrantenverbände und andere an unserem Aufruf. Leider haben sich die linken und antifaschistischen Gruppen in Frankfurt an dem Aufruf nicht beteiligt, werden unsere Aktionen aber zum Teil ebenfalls unterstützen.
GWR: Gerade von einigen Antifa-Gruppen kam ja auch zuletzt die Kritik, dass man sich bei solchen Massendemonstrationen mit denen gemein macht, die mit ihrer Politik in den letzten Jahren die derzeitigen Zuständen mit herbeigeführt haben und dass sie sich nicht neben der CDU, der katholischen Kirche und der Bildzeitung auf gemeinsamen Demos wiederfinden wollen. Auch die Beweggründe für viele, die da mitlaufen werden kritisiert. Denen geht es demnach nicht um Antifaschismus, die machen sich nur Sorgen um wegbleibende Touristen.
Ludwig: Diese Kritik ist berechtigt, und man muss durchaus aufpassen, mit wem man was macht. Wir wollten aber erst einmal ein großes Bündnis schmieden für eine große Demonstration und dann auch Raum lassen für Veranstaltungen, bei denen die beteiligten Gruppen ihre auch kritischen Standpunkte einem größeren, interessierten Publikum näher bringen können. Es ist auch für mich ungewohnt, mit denen zusammenzuarbeiten, die ich sonst politisch bekämpfe, aber in der aktuellen Situation haben wir entschieden, dass uns das gemeinsame Zeichen, das wir setzen wollen, wichtiger ist, zumindest für einen gemeinsamen Termin.
GWR: Aber sollte das nicht auch dahingehend mit Inhalt gefüllt werden, dass man solche symbolischen Termine mehr nutzt, um eigene Inhalte zu transportieren?
Ludwig: Es gibt bereits Veranstaltungen in diese Richtung. Dort treffen sich dann Vertreter linksradikaler Spektren etwa mit Funktionären aus DGB-Gewerkschaften und fangen an, miteinander zu diskutieren. Solche politischen Termine sind in Frankfurt derzeit geradezu überlaufen, das Spektrum derer, die da teilnehmen, geht von 18 bis 60 Jahren, von grün bis autonom, da ist alles vertreten. So etwas gab es selten.

Erschienen in Graswurzelrevolution (GWR) 396, Februar 2015
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